Management, International anerkannt, SQS-Wissen

Schweizer Bahnsektor – Bahn frei für internationale Qualitätsstandards

hans.jahn@sqs.ch

Hans Jahn

Veröffentlicht am: 06.01.2022

Lesedauer

ca. 4 Minuten

Schweizer Verkehrsunternehmen und Schienenfahrzeughersteller sind für ihren hohen Qualitätsanspruch bekannt. Wohl deshalb hat sich der internationale IRIS-Standard hierzulande rasch etabliert. Und auch in der Instandhaltung der Fahrzeuge sorgen neue Regeln für mehr Qualität.

Für sie wird es seit Jahren immer anspruchsvoller. Schweizer Verkehrsunternehmen und Bahnbetreiber, Systemintegratoren, Schienenfahrzeughersteller und deren Zulieferindustrie sind mit zahlreichen Herausforderungen gleichzeitig konfrontiert. Sie müssen etwa die Interoperabilitäts- und Sicherheitsrichtlinien der EU in der Schweiz umsetzen sowie den verschärften Anforderungen an die Herstellung, dem sicheren Betrieb und der Instandhaltung von Rollmaterial gerecht werden. Immer mehr setzen sich in der Schweiz aber auch ergänzende Qualitätsstandards durch, die auf privatwirtschaftlicher Ebene entwickelt und über die Industrieverbände UNIFE und Swissrail auf europäischer und nationaler Ebene koordiniert wurden.

Aufgrund der geänderten Rahmenbedingungen erwarten die Stakeholder im Schweizer Bahn- und öffentlichen Verkehrssektor heute von ihrer nationalen Zertifizierungsstelle zurecht ein umfassendes Angebot. Die Schweizerische Vereinigung für Qualitäts- und Management-Systeme (SQS) hat deshalb per 1. Juli 2021 den neuen Fachbereich Bahn und Öffentlicher Verkehr gegründet und ist seit dem 15. Dezember 2021 durch den Europäischen Eisenbahnindustrieverband (UNIFE) als akkreditierte Zertifizierungsgesellschaft für den International Railway Industry Standard (IRIS) zugelassen. Die Begutachtungs- und Zertifizierungsdienstleistungen richten sich an alle Bahngesellschaften und öffentlichen Verkehrsunternehmen, die beim Bundesamt für Verkehr (BAV) registriert sind sowie Hersteller und Zulieferer von Schienenfahrzeugen. Inhaltlich geht es dabei um die folgenden Normen und Standards im Transport- und Bahnbereich:

Portrait Hans Jahn SQS

Zum Autor

Dipl.-Ing. Hans Jahn ist Teilbereichsleiter Bahn und Öffentlicher Verkehr sowie Mitglied der erweiterten Geschäftsleitung bei der Schweizerischen Vereinigung für Qualitäts- und Management-Systeme (SQS).

«2022 soll die neue ISO-Norm 22163
veröffentlicht werden»

kiss SBB Stadler Rail AG

Qualitätsinitiativen für den Bahnsektor nehmen in der Schweiz Fahrt auf.
Bild: Stadler Rail AG

Hersteller punkten mit zertifizierter Qualität

Den IRIS-Standard hat die internationale Schienenfahrzeugindustrie 2005 mit dem Ziel lanciert, die Qualität entlang der ganzen Lieferkette zu verbessern. Ausfälle, Vorfälle sowie schwere Betriebsunfälle sollen verhindert und eine hohe Zuverlässigkeit, Verfügbarkeit und Sicherheit beim Rollmaterial im Fahrplanbetrieb garantiert werden. Heute ist das IRIS-Regelwerk der internationale Benchmark für die Zertifizierung von Managementsystemen bei Herstellern und Zulieferern von Schienenfahrzeugen gemäss ISO/TS 22163.

Weltweit haben sich rund 2200 Unternehmensstandorte der IRIS-Qualitätsinitiative angeschlossen. Dadurch sind sie in einer Lieferantendatenbank eingetragen, die Entwicklern, Einkäufern und Qualitätsverantwortlichen im Verkehrs- und Bahnsektor offensteht. IRIS-zertifizierte Unternehmen können sich somit bei Ausschreibungen und Vertragsvergaben erhebliche Wettbewerbsvorteile verschaffen.

Vorfreude auf die neue ISO 22163

Aber auch auf normativer Ebene tut sich etwas. Das Technical Committee ISO/TC 269 «Railway Applications» finalisiert in den nächsten Monaten die Überführung der ISO/TS 22163 – also der Basis des IRIS-Qualitätsstandards – in eine international anerkannte und akkreditierungsfähige ISO-Norm. 2022 soll die neue ISO 22163 veröffentlicht werden. Diese orientiert sich weiterhin an der gewohnten High-Level-Struktur, ist jedoch um Redundanzen bereinigt und terminologisch optimiert. Positiv ist auch, dass die zugrundliegende ISO 9001:2015 nicht revisioniert wird und somit keine neuen Regelwerksanforderungen dazukommen.

IRIS-zertifizierte Unternehmen werden also weiterhin davon profitieren, dass sie immer auch ein Zertifikat nach ISO 9001 erhalten. Unter www.iris-rail.org wird hingegen das spezifische IRIS-Zertifikat und der erreichte Qualitätslevel (Gold, Silber oder Bronze) veröffentlicht. Ein zertifiziertes Unternehmen kann seinen Kunden zudem über das IRIS-Portal geschützten Zugriff auf den aktuellen Auditbericht, Qualitätskennzahlen und Massnahmenpläne gewähren.

Tramhalle Bernmobil

Im Berner Tramdepot: Die ECM-Verordnung ermöglicht eine präventive Fahrzeuginstandhaltung.
Bild: Bernmobil

Was gilt bezüglich der Instandhaltung?

Sind die produzierten Schienentransportmittel erst einmal ausgeliefert, kommt es jedoch auf deren sachgerechten Betrieb und die präventive Instandhaltung an. Denn nur so bleiben diese sicher und permanent verfügbar – trotz langjähriger Nutzungsdauer und hohem Kostendruck. In den liberalisierten europäischen Märkten unterliegt der Betrieb von Lokomotiven und Rollmaterial deshalb gesetzlichen und behördlichen Vorgaben. 

Für Instandhaltungs-Stellen, im Fachjargon «Entity in Charge of Maintenance» oder kurz ECM genannt, gilt seit dem 16. Juni 2020 die Durchführungsverordnung (EU) 2019/779. Gemäss dieser sind Bahnunternehmen und andere Halter von Schienenfahrzeugen für die Instandhaltung des Rollmaterials zuständig. Sie können die Aufgaben der für die Instandhaltung zuständigen Stelle (ECM) selbst wahrnehmen oder per Vertrag auf einen Dritten übertragen.

«IRIS-zertifizierte Unternehmen erhalten
weiterhin immer auch ein Zertifikat nach
ISO 9001»

ECM-Verordnung schafft Transparenz

Jede ECM ist verpflichtet, die zur Instandhaltung übernommenen Fahrzeuge in betriebssicherem Zustand zu halten. Sie hat dazu ein Instandhaltungsmanagementsystem einzurichten und darüber Aufzeichnungen zu führen. Für jedes Fahrzeug sind Instandhaltungsunterlagen zu führen und für die gesamte Dauer der Verwendbarkeit des Fahrzeugs aufzubewahren.

Die Halter von Eisenbahnfahrzeugen müssen jedem ihrer Fahrzeuge eine für die Instandhaltung zuständige Stelle zuweisen. Diese Angaben werden im nationalen Fahrzeugeinstellungsregister (NVR, englisch für National Vehicle Register) erfasst. Soweit keine für die Instandhaltung zuständige Stelle eines Dritten beauftragt wurde, ist der Halter selbst als zugewiesene Stelle einzutragen.

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