Gut vorbereitet, wenn die Vorweihnachtszeit anrollt
Veröffentlicht am: 09.12.2025
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ca. 4 Minuten
Black Friday, Jahresendspurt, Weihnachtsgeschäft – für viele Unternehmen ist die Vorweihnachtszeit die intensivste Phase des Jahres. SQS-Lead Auditor Thomas Krähenmann erklärt, wie Normen in dieser Zeit Orientierung geben. Wie sie Teams leistungsfähig und gesund halten und warum in manchen Organisationen Weihnachten schon dann beginnt, während die Tage noch nach Sommer schmecken.
Herr Krähenmann, die trubelige Vorweihnachtszeit ist da. Welche Branchen haben jetzt besonders viel zu tun?
In diesen Wochen sind viele verschiedene Unternehmen gefordert. Der Detailhandel verzeichnet zum Beispiel seine umsatzstärkste Zeit, die Lebensmittel- und Gastrobetriebe begleiten zahlreiche Feierlichkeiten, und auch produzierende Unternehmen mit Just-in-Time-Lieferketten spüren einen deutlichen Anstieg.
Wer noch?
Der öffentliche Verkehr transportiert deutlich mehr Fahrgäste, weil viele einkaufen gehen, Weihnachtsmärkte besuchen oder Familie und Freunde treffen. Und nicht zuletzt stemmen Logistikunternehmen Jahr für Jahr ein enormes Volumen. Schliesslich sollen alle Sendungen pünktlich unter dem Weihnachtsbaum liegen.
Thomas Krähenmann ist als freier Lead-Auditor bei der SQS tätig. In dieser Funktion führt er Audits nach den international anerkannten Normen ISO 9001:2015 (Qualitätsmanagement), ISO 14001:2015 (Umweltmanagement) und ISO 45001:2018 (Sicherheit & Gesundheit bei der Arbeit) durch. Sein Spektrum reicht über verschiedene Branchen hinweg.
Wie stark die Logistikbranche jeweils gefordert ist, zeigt eine beeindruckende Zahl. Und zwar verarbeiteten Post-Mitarbeitende am 3. Dezember 2024 fast 1,3 Millionen Pakete. So viele wie noch nie an einem einzigen Tag. Bei solchen Zahlen wird deutlich, dass vieles weit im Voraus vorbereitet sein muss. Wann beginnt bei Logistikunternehmen das Weihnachtsgeschäft wirklich?
In der Regel bereits im Sommer. Dann planen Teams Abläufe, Kapazitäten und Sicherheitsprozesse, damit im November und Dezember alles reibungslos läuft. Managementsysteme helfen dabei, die komplexen Abläufe zu steuern.
Wie unterstützen sie die Teams?
Indem sie Prozesse klar strukturieren und Verantwortlichkeiten eindeutig festlegen, schaffen sie Orientierung. Mitarbeitende wissen dann genau, welche Schritte nötig sind, an wen sie sich wenden können und wer einspringt, falls jemand zum Beispiel grippebedingt ausfällt. In der Hochsaison, wenn von den Mitarbeitenden viel abverlangt wird und viele Aushilfskräfte eingesetzt werden, erweist sich die ISO 45001 als besonders wertvoll.
Logistikbetriebe starten mit der Planung der anspruchsvollen Vorweihnachtszeit bereits im Sommer.
Bild: Adobe Stock
Warum?
Die Norm verankert Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz systematisch. Und zwar von der Gefährdungsbeurteilung bis zur Schulung der Aushilfskräfte. Auch temporäre Mitarbeitende wissen dann, wie sie ihre Aufgaben sicher erledigen. Das gesamte Team bleibt dadurch leistungsfähig, selbst unter hohem Zeitdruck und bei schwierigen Wetterbedingungen wie Schnee und Eis.
Nicht nur Logistikdienste auch andere Unternehmen setzen in Spitzenzeiten auf zusätzliche Arbeitskräfte. Wie lassen sich diese schnell und sicher einbinden?
Aushilfskräfte müssen vom ersten Tag an wissen, was zu tun ist. Klare Einarbeitungsprozesse, übersichtliche Checklisten und eindeutige Kommunikationswege sind dabei entscheidend. Wenn Unternehmen diese Abläufe in ihrem Managementsystem verankern, lassen sie sich Jahr für Jahr effizient und verlässlich wieder anwenden.
Haben Sie Praxisbeispiele?
Ja, Detailhändler setzten zum Beispiel oft standardisierte Kurzschulungen um. Nach einer Stunde wissen neue Mitarbeitende, wie die Kasse funktioniert, welche Sicherheitsregeln gelten und an wen sie sich bei Fragen wenden können. Sie führen aber auch sogenannte Shopfloor-Meetings durch, bei denen sich die Teams jeden Morgen kurz austauschen. Diese kurze Abstimmung stärkt nicht nur die Kommunikation, sondern verbessert auch die Arbeitssicherheit. Denn am Meeting können Beinaheunfälle offen angesprochen und präventive Massnahmen direkt abgeleitet werden.
Und wie hilft die ISO 45001 generell, eine Überlastung von Mitarbeitenden in Spitzenzeiten zu vermeiden?
Die Norm verpflichtet Unternehmen, Risiken für Sicherheit und Gesundheit systematisch zu erfassen und zu steuern. In der Hochphase bedeutet das: realistische Schichtplanung, Pausenregelungen, ergonomische Arbeitsplätze und Frühwarnindikatoren für Überlastung.
Wie wird das in der Praxis gelebt?
Ich kenne ein Logistikzentrum, das die Arbeitsbelastung mit wöchentlichen Kurzbefragungen misst. Wenn sich abzeichnet, dass das Stressniveau steigt, werden gezielt Ressourcen verschoben, bevor jemand ausfällt. Betriebe setzten aber auch auf den regelmässigen Einsatz von Physiotherapeuten oder die Entwicklung arbeitsplatzspezifischer Hebemittel, um die Ergonomie zu verbessern und Überlastungen zu verhindern.
Wenn es hektisch wird, leidet oft die Kommunikation. Wie helfen Managementsysteme dabei, den Informationsfluss aufrechtzuerhalten?
Managementsysteme schaffen feste Kommunikationswege und klare Reportingstrukturen. Informationen gehen so nicht verloren, Verantwortlichkeiten sind transparent und mögliche Probleme werden frühzeitig erkannt.
Wie wird das in der Praxis umgesetzt?
Einige Unternehmen führen, wie schon erwähnt, tägliche Kurzmeetings durch. Was ich ausserdem beobachte, ist, dass Unternehmen vermehrt auf Apps setzen, die direkt in die Prozessabläufe des Managementsystems integriert sind. So können beispielsweise Beinaheunfälle, Qualitätsabweichungen oder Verbesserungsvorschläge schnell erfasst und entsprechende Massnahmen automatisiert eingeleitet werden. Diese Routinen halten die Teams fokussiert und verhindern, dass kleine Missverständnisse zu grösseren Problemen werden.
Unternehmen setzen in Spitzenzeiten oft auf Kurzmeetings und Kurzbefragungen, um Risiken vorzubeugen.
Bild: Adobe Stock
Und wie gelingt es, dass Mitarbeitende die Standards auch in stressigen Phasen einhalten?
Entscheidend ist, dass sie den Nutzen verstehen. Wenn klar ist, dass Normen nicht bremsen, sondern den Alltag erleichtern, steigt die Akzeptanz enorm.
Wie lässt sich das erreichen?
Führungskräfte sollten die Abläufe transparent machen und erklären, warum sie wichtig sind. Wer erlebt, dass klare Prozesse Fehler vermeiden und Stress reduzieren, hält sich auch dann daran, wenn es hektisch wird. Gerade beim Thema Sicherheit spielt zudem die gegenseitige Verantwortung eine grosse Rolle. Mitarbeitende sollten sich positiv beeinflussen und aufeinander achten.
Was heisst das genau?
Wenn jemand am Limit arbeitet, ist es wichtig, diese Person anzusprechen und darauf hinzuweisen, dass bei Sicherheitsstandards keine Kompromisse gemacht werden dürfen.
Sie erwähnen die Führungskräfte. Welche Rolle spielen sie in solchen Spitzenzeiten?
Sie spielen eine entscheidende Rolle. Sie geben Orientierung, schaffen Vertrauen und leben vor, wie mit Belastung umgegangen wird. Wer selbst strukturiert arbeitet, sich an die Vorgaben hält und Ruhe bewahrt, signalisiert Stabilität. ISO-Managementsysteme bieten dabei ein wertvolles Gerüst, um Entscheidungen fundiert und nachvollziehbar zu treffen.
Und wenn der Jahresendspurt geschafft ist, was können Unternehmen aus dieser Zeit lernen?
Die Hochsaison ist ein Stresstest für jedes Managementsystem. Läuft es wieder ruhiger, ist eine strukturierte Nachbetrachtung gemäss PDCA-Zyklus wichtig: Was hat gut funktioniert? Wo gab es Engpässe? Diese Erkenntnisse fliessen dann in die kontinuierliche Verbesserung ein und machen das Unternehmen widerstandsfähiger für kommende Herausforderungen.
PDCA Regelkreis, Grafik SQS
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