Management, SQS-Wissen

«Qualität ist zeitlos. Aber die Wege zu ihr ändern sich.»

alex.gertschen@sqs.ch

Alex Gertschen

Veröffentlicht am: 05.06.2023

Lesedauer

ca. 4 Minuten

Die Schweizerische Vereinigung für Qualitäts- und Management-Systeme (SQS) feiert im Juni 2023 ihr 40-jähriges Bestehen. Im Doppelinterview äussern sich Präsidentin Andrea Grisard und CEO Felix Müller zum Wert der Geschichte und der SQS der Zukunft.

CEO Felix Müller und Präsidentin Andrea Grisard im Gespräch

Interview: Alex Gertschen

Andrea Grisard, Felix Müller: Die SQS wird 40 Jahre alt. Wie geht es der Jubilarin?

Andrea Grisard: Ausgesprochen gut! Wir sind in der Schweiz die Konformitätsbewertungsstelle Nr. 1.

Felix Müller: Die SQS deckt im Bereich der Managementsysteme alle wesentlichen Normen ab [z.B. die ISO 9001, ISO 14001, ISO 45001, ISO 50001, Anm. d. Red.]. Darüber hinaus haben wir eine grosse Breite an branchenspezifischen Dienstleistungen. Wir sind in allen Wirtschaftszweigen tätig! Das macht uns in der Schweiz einmalig – und resilient: Wenn es in einer Branche harzt, können wir dies in anderen kompensieren. Schliesslich stehen wir bezüglich der Akkreditierung dank unseres steten Engagements für eine qualitativ hochstehende Arbeitsweise gut und gefestigt da.

Grisard: Dieser Punkt scheint mir sehr wichtig. Die Anforderungen der Akkreditierung [der Schweizerischen Akkreditierungsstelle, Anm. d. Red.] sind in den letzten Jahren immer strenger und detaillierter geworden. Wir haben die Pace gehalten, indem wir unsere Prozesse und Strukturen angepasst und zusätzliche Ressourcen bereitgestellt haben.

In einem anderen Blogbeitrag erklären wir die Akkreditierung als System zur «Prüfung der Prüfer». Was ist ihre Bedeutung für die SQS?

Müller: Gross. Sie fordert von und bescheinigt uns, dass wir neutral, unabhängig, transparent, kompetent und konform arbeiten. Sie trägt so zu unserem wichtigsten Gut bei: unserer Glaubwürdigkeit.

Grisard: In diesem Zusammenhang ist auch unsere Vereinsform zu erwähnen. Sie stärkt unsere Botschaft, dass für uns der Mehrwert für die Kunden im Zentrum steht. Wir schütten Gewinne nicht aus, sondern setzen sie für unsere Kunden ein – und für unsere Mitarbeitenden, die den Mehrwert letztlich schaffen.

Müller: Wobei ich gestehen muss: Es ist nicht einfacher geworden, den Kunden diesen Mehrwert zu bieten und – damit verbunden – die Motivation der Mitarbeitenden hochzuhalten. Die Akkreditierung ist engmaschiger, der Freiheitsgrad in der Planung und Durchführung von Audits eingeschränkt worden. Die geforderten Formalismen haben zugenommen. Es braucht sehr wenig, um den Verdacht der unzulässigen «Beratung» zu wecken. Einerseits hat diese Entwicklung sicher zur Robustheit und Glaubwürdigkeit der akkreditierten Zertifizierung beigetragen. Andererseits spüren wir verstärkt das Spannungsfeld zwischen Kundenorientierung, Akkreditierungskonformität und Wirtschaftlichkeit.

Was bedeutet das Jubiläum für die SQS?

Grisard: Es macht stolz! Zukunft braucht Herkunft, davon bin ich überzeugt. Das Bewusstsein für die eigene Geschichte ist wichtig, um den Wandel aktiv zu leben und den veränderten Bedürfnissen der Gesellschaft und der Mitarbeitenden Rechnung zu tragen. Es gilt Bewährtes zu modernisieren und Neues zu entwickeln.

Felix Müller

Andrea Grisard

Was heisst das konkret?

Grisard: Für mich als Familienunternehmerin sind Herkunft und Tradition zentral. Meine Familie führt zwei Unternehmen. HIAG wurde 1876 gegründet – als Holzindustrie AG. Heute ist sie in der Immobilienentwicklung tätig und baut auf ehemaligen Industriebrachen ganze Quartiere. Auch die Ultra-Brag AG, 1925 gegründet und bis heute in der Hafenwirtschaft tätig, hat sich bei aller Kontinuität stets gewandelt. Dafür braucht es den Mut, um sich immer wieder fundamental zu hinterfragen, Überholtes loszulassen und Bewährtes weiterzuentwickeln. Firmen sind über Generationen hinweg dann nachhaltig erfolgreich, wenn sie den Wandel nicht scheuen, die Spielregeln von morgen antizipieren und zur Innovation fähig sind. Die SQS bringt all dies mit und ist deshalb auf gutem Wege.

Müller: Ich sehe dies ähnlich. Ein Unternehmen wird durch seine Herkunft und Tradition geprägt. Diese gilt es zu respektieren. In unserem Kontext bin ich kein Befürworter grosser und abrupter Veränderungen. Das bedeutet aber keineswegs Stillstand. Es geht darum, die Werte, die einen ausmachen, im Lichte veränderter Rahmenbedingungen immer neu zu interpretieren und auch Neues auszuprobieren.

Was bedeutet das für die SQS?

Müller: Wir werden im Markt noch stark als Zertifizierungsstelle wahrgenommen. Das ist nicht falsch, aber nicht die ganze Wahrheit. Wir sind bereits heute und werden zunehmend eine breiter abgestützte Konformitätsbewertungsstelle und Wirtschaftsakteurin. In diesen Rollen müssen wir uns an den SQS-Werten der Glaubwürdigkeit, Neutralität, Unabhängigkeit, Ehrlichkeit und Unbestechlichkeit orientieren.

Was ist der Unterschied zwischen Zertifizierung und Konformitätsbewertung?

Müller: Mit der Zertifizierung wird bescheinigt, dass eine Norm – im Fall der SQS meist eine Managementsystemnorm der ISO – umgesetzt ist und eingehalten wird. Die Konformitätsbewertung bezieht sich auf ein breiteres Spektrum. Mit diesem Verfahren überprüfen wir, ob ein Kunde bezüglich einer bestimmten Aussage oder Absicht konform handelt. Wir verifizieren Nachhaltigkeitsberichte. Oder wir überprüfen, ob ein Unternehmen tatsächlich – wie behauptet – die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglicht bzw. fördert. Das wachsende Bedürfnis nach solchen Konformitätsbewertungen eröffnet uns neue Möglichkeiten. Diese wollen wir aktiv nutzen. Deshalb lautet unser Jubiläumsmotto auch «mutig – nachhaltig – anders».

Ist dies umso wichtiger, weil das Kerngeschäft der Zertifizierung kaum noch wächst?

Grisard: Es stimmt, dass sich das Umsatzwachstum verlangsamt hat. Ich sehe dies aber nicht mit Sorge, sondern als normalen Prozess der Unternehmensentwicklung. Dazu gehört eben auch, dass wir nun neue Produkte lancieren.

Müller: Wir hatten nach einem fulminanten Wachstum in den ersten Jahrzehnten zuletzt tatsächlich eine Konsolidierung – aber auf hohem Niveau [vgl. hierzu auch den Unternehmensbericht 2022]. Ich bin überzeugt, dass das Zertifizierungsgeschäft die SQS auch in Zukunft tragen wird. Wir verzeichnen bei der ISO 9001 nach wie vor ein Wachstum. Das ist weltweit betrachtet nicht überall der Fall und zeigt, dass die Nachfrage nach Managementsystem-Zertifikaten intakt ist. Unterschätzen wir auch den Wert der «Swissness» nicht: Wir hören oft von Kunden, dass sie als Schweizer KMU ein Schweizer Zertifikat wollen – das freut uns natürlich sehr!

Die Umsatzentwicklung der vor 40 Jahren gegründeten und bis heute marktführenden SQS spiegelt die allgemeine Nachfrage nach ISO-Zertifikaten in der Schweiz. Diese war geprägt von einem starken Wachstum in den 1990er- und 2000er-Jahren sowie einer Konsolidierung seit den 2010er-Jahren.

Wie wird die SQS anlässlich ihres 50-jährigen Bestehens aussehen?

Grisard: Personell wird sie sehr anders aussehen! Ein Grossteil der Geschäftsleitung wird altershalber nicht mehr dabei sein. Auch viele Auditierende werden bis dahin in Pension gegangen sein. Und die Konformitätsbewertung wird sich neben der Zertifizierung als zweites Standbein etabliert haben. Aber dramatische Veränderungen erwarte ich nicht.

Müller: Unser Ziel ist es, unsere Mitarbeitenden auch künftig lange zu halten. Ich selber bin seit 1999 bei der SQS! Unsere Auditierenden arbeiten im Schnitt seit rund zehn Jahren bei uns! Das ist menschlich wertvoll. Das wird von den Kunden sehr geschätzt. Und das ist auch betriebswirtschaftlich nötig: Bis eine Auditorin oder ein Auditor qualifiziert ist, investieren sie bzw. er und wir als SQS sehr viel. Diese Investition zahlt sich erst im Laufe der Jahre aus.

Also erwarten Sie bei allen personellen Veränderungen viel Kontinuität.

Müller: Ich erwarte Kontinuität und Wandel. Zum Beispiel wird die Entwicklung zu mehr branchenspezifischen Dienstleistungen anhalten. Diese Entwicklung werden wir mitgehen, indem wir in allen Branchen die kritische Grösse anstreben oder beibehalten. Auch die Methoden werden sich gerade durch die Digitalisierung weiter verändern. Vielleicht lässt sich allgemein sagen: Qualität und unsere Werte sind zeitlos. Aber die Wege, die zu ihnen führen, werden sich wandeln.

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