Kreislaufwirtschaft für KMU: Drei Prinzipien für eine nachhaltige Zukunft
Veröffentlicht am: 17.06.2025
Lesedauer
ca. 4 Minuten
Die Diskussion um nachhaltiges Wirtschaften wird zunehmend konkreter – nicht zuletzt aufgrund der Netto-Null-Ziele der Schweiz und der wachsenden Erwartungshaltung von Kundinnen und Kunden. Besonders für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) stellt sich dabei nicht mehr nur die Frage, ob ein Umdenken nötig ist, sondern wie es gelingen kann.
Ein zentraler Ansatzpunkt dafür ist die Kreislaufwirtschaft. Anders als im linearen Wirtschaftssystem – produzieren, konsumieren, entsorgen – steht hier die möglichst lange Nutzung von Ressourcen im Vordergrund. Es geht darum, Rohstoffe zu schonen, Abfall zu vermeiden und Mehrwert über den gesamten Lebenszyklus eines Produkts hinweg zu schaffen. Wissenschaftlich wird die Kreislaufwirtschaft in Strategien unterteilt: Verengen, Verlangsamen und Schliessen von Kreisläufen. Dieser Beitrag beleuchtet diese Strategien anhand konkreter Beispiele aus der Schweizer KMU-Praxis und der Zusammenarbeit aus meiner Tätigkeit an der FHNW.
Verengen von Kreisläufen – Weniger Verbrauch, mehr Effizienz
Der erste und naheliegendste Schritt in Richtung Kreislaufwirtschaft ist die Reduktion von Ressourcenverbrauch, Emissionen und Abfällen. Dabei geht es nicht nur um Umweltbewusstsein, sondern auch um Effizienzgewinne.

Zur Autorin
Dr. Pavlina Pavlovaist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Unternehmensführung an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) in Windisch, co-leitet den Bachelor-Studiengang Energie- und Umwelttechnik und führt zusammen mit der SQS den CAS «Kreislaufwirtschaft – Transformation in der Praxis» sowie das Fachseminar zu Kreislaufwirtschaft.
Ein Beispiel liefert LägereBräu, eine regionale Brauerei aus Wettingen und Teilnehmer unseres Förderprogramms mit der Aargauischen Kantonalbank (AKB). Um den Energie- und Wasserverbrauch zu senken, hat das Unternehmen gezielt in technische Optimierungen investiert. Ein neuer Luftkompressor reduziert den Stromverbrauch; eine Wasseraufbereitungsanlage sorgt für kalkfreies Wasser, was wiederum Reinigungsmittel spart und die Lebensdauer von Heizstäben verlängert. Zusätzlich wird durch einen Pfannen-Dunst-Kondensator Abwärme zurückgewonnen und für die Warmwasseraufbereitung im Brauprozess genutzt. Das Resultat: Weniger Energieverbrauch, geringere Betriebskosten – und ein besseres Bier.
Auch die Lindmühle AG aus Birmenstorf, ebenfalls Teilnehmerin unseres AKB-Förderprogramms und prämiert, zeigt, wie Reduktion ganzheitlich gedacht werden kann. Das Unternehmen verarbeitet jährlich rund 18’000 Tonnen Getreide – fast ausschliesslich aus der Schweiz. Die kurzen Transportwege senken die CO₂-Bilanz deutlich. Gleichzeitig wird das Getreide vollständig verwertet: Rund 80 % werden zu Mehl verarbeitet, die restlichen 20 % zu Kleie für die Tierfütterung. Darüber hinaus wurde 2023 auf dem Gelände ein Naturschutzgebiet in Zusammenarbeit mit Pro Natura realisiert – ein starkes Zeichen dafür, dass Ressourcenschonung und Biodiversität Hand in Hand gehen können.
Verlangsamen von Kreisläufen - Bestehendes länger nutzen und wiederverwenden
Ein oft unterschätztes Prinzip der Kreislaufwirtschaft ist die Wiederverwendung – typisch für die Strategie des Verlangsamens. Dabei geht es nicht nur um Produkte, die von Konsumentinnen und Konsumenten erneut genutzt werden, sondern auch um Materialien und Komponenten, die im Produktionsprozess mehrfach eingesetzt werden können.
Die Emil Landsrath AG, ein Dachdeckerbetrieb, setzt in ihrer Arbeit konsequent auf Sanierungen statt Neubauten – was nicht nur ressourcenschonender ist, sondern auch mehr Möglichkeiten bietet, Materialien wie Dachziegel wiederzuverwenden. Auch Verpackungsmaterialien werden mehrfach genutzt, Fahrzeuge so lange wie möglich in Betrieb gehalten, Ersatzteile sorgfältig aufgearbeitet. Bei denkmalgeschützten Objekten ist diese Praxis nicht nur nachhaltig, sondern häufig auch baulich notwendig.
Auch im Bereich des Interior Designs gibt es spannende Beispiele: Rosconi Systems bietet modulare, langlebige Garderobenlösungen an, die über viele Jahre hinweg genutzt und an neue Bedürfnisse angepasst werden können. Diese Produkte werden nicht nach kurzer Zeit ersetzt, sondern behalten über Jahrzehnte hinweg ihren Platz – ein eher stilles, aber wirkungsvolles Beispiel für gelebte Reuse-Praxis.
Das Label kleinbasel von Designerin Tanja Klein, Teilnehmerin unserer Studie gemeinsam mit dem Gewerbeverband Basel-Stadt und Basel Circular, geht sogar noch weiter: Verwendet werden hochwertige Stoffe aus Überproduktionen («Dead Stock») für neue Kollektionen – eine klare Form der Wiederverwendung. Zusätzlich entstehen durch digital optimierte Schnittmuster kaum Stoffreste; diese werden wiederum zu Accessoires weiterverwertet. Kleidertausch-Events und ein hauseigener Reparaturservice verlängern zusätzlich den Produktlebenszyklus – ein umfassendes Beispiel für verlangsamte Materialkreisläufe.
Einen weiteren innovativen Ansatz bietet Circunis, ein B2B-Marktplatz für Lebensmittelüberschüsse. Circunis ist unser Projektpartner in einem durch Innosuisse finanzierten Vorhaben. Ziel ist es, vermeidbaren Food Waste zu reduzieren, indem überschüssige Produkte wie beispielsweise Couverture, tiefgekühltes Gemüse oder tiefgekühlte Backwaren vermittelt werden. Die Abnehmer nutzen die Überschüsse in ihren Menüs oder kreieren daraus neue Produkte wie zum Beispiel Saucen und Chutneys. In einem Projekt konnte dank Circunis eine Kooperation entstehen, die heute jährlich rund 15 Tonnen Bananen rettet – mit wachsendem Potenzial. Dabei kooperieren verschiedene Unternehmen, um Bananenüberschüsse aus Reifereien in neue Produkte umzuwandeln (Abbildung).

Reparieren statt wegwerfen – dieses Prinzip erlebt seit einigen Jahren eine Renaissance. Auch dies zählt zur Strategie des Verlangsamens, da es Produktlebenszyklen verlängert und Ressourcen schont.
Ein klassisches Beispiel liefert das Fachgeschäft Radio TV Bürgi. Neben Beratung, Verkauf und Installation legt das Unternehmen grossen Wert auf Reparaturen – auch kleinerer Geräte. Gerade in einer Branche, in der viele auf Onlinehandel setzen und Reparaturservices verschwinden, ist das ein Alleinstellungsmerkmal. Die Motivation ist klar: Nachhaltigkeit soll nicht nur verkauft, sondern vorgelebt werden. Gleichzeitig bildet das Unternehmen junge Berufsleute aus und pflegt eine enge Zusammenarbeit mit anderen Betrieben in der Region, etwa durch die gemeinsame Nutzung von Werkstätten.
Schliessen von Kreisläufen – nur wenn es keine Alternative für die Materialien in Umlauf gibt
Der Begriff «Recycling» wird oft sehr breit verwendet. Im engeren Sinn gehört Recycling zur Strategie des Schliessens von Kreisläufen: Materialien werden stofflich so verarbeitet, dass sie als Rohstoffe erneut verwendet werden können. Dieser Schritt gilt als letzte Option, wenn Vermeidung, Wiederverwendung oder Verlängerung der Nutzung nicht mehr möglich sind.
Ein Beispiel dafür ist die Firma Ernst Frey, ein Familienunternehmen, das sich auf Rückbau und Baustoffverwertung spezialisiert hat. Da viele Materialien aus Abbrucharbeiten aufgrund von Altlasten nicht wiederverwendet werden dürfen, konzentriert sich das Unternehmen auf die stoffliche Aufwertung. Ein thermisches Verfahren ermöglicht die Bearbeitung von Asphalt, sodass Asphalt-Rezyklat entsteht – ein typisches Beispiel für geschlossene technische Kreisläufe. Ergänzt wird dies durch ein automatisiertes internes Transportsystem und eigene Produktentwicklungen wie ein Bodenbelag aus 100 % Rezyklat. Ernst Frey zeigt damit, wie moderne Technologie helfen kann, Kreisläufe zu schliessen, wenn alle anderen Optionen ausgeschöpft sind.
Kreislaufwirtschaft als strategischer Vorteil
Was all diese Beispiele zeigen: Kreislaufwirtschaft ist längst keine Utopie mehr, sondern vielfach gelebte Realität. Und sie bringt konkrete Vorteile – nicht nur für die Umwelt, sondern auch für Unternehmen. Die Umstellung auf nachhaltige Prozesse stärkt die Kundenbindung, reduziert Kosten und eröffnet neue Geschäftsmodelle. Gleichzeitig entspricht sie dem politischen Rahmen: Die Schweiz hat sich zu Netto-Null bis 2050 verpflichtet, einzelne Kantone wie Basel streben dies bereits für 2037 an.
Für KMU bedeutet das: Wer sich heute auf den Weg macht, ist regulatorisch besser aufgestellt, nutzt Fördermittel effizienter und kann sich im Wettbewerb differenzieren. Programme wie der Innosuisse-Innocheque unterstützen die Zusammenarbeit mit Hochschulen, um eigene Potenziale im Bereich der Kreislaufwirtschaft zu identifizieren und zu nutzen.
Innocheque für KMU
Der Innosuisse-Innocheque ermöglicht kleinen und mittleren Unternehmen die Zusammenarbeit mit einer Schweizer Forschungsinstitution – unkompliziert und kostenlos. Mit bis zu CHF 15’000 können KMU die Machbarkeit einer Innovationsidee prüfen lassen. Der Fokus liegt auf frühen Projektphasen mit grossem Potenzial. Mehr Informationen finden Sie hier.
Kleine Schritte mit grosser Wirkung
Der Einstieg in die Kreislaufwirtschaft muss kein Grossprojekt sein. Oft reicht eine erste Massnahme – etwa die Analyse von Materialflüssen, die Einführung eines Reparaturservices oder die Optimierung der Lieferkette. Wichtig ist, überhaupt anzufangen.
Wer sich intensiver mit den Grundlagen beschäftigen will, kann dies praxisnah und zielgruppengerecht tun: Im dreitägigen Fachseminar zur Kreislaufwirtschaft, das in Kooperation von der SQS mit der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) stattfindet, erhalten KMU das nötige Rüstzeug, um eigene Strategien zu entwickeln und umzusetzen.
Denn klar ist: Wer jetzt handelt, gestaltet die Zukunft – nicht nur nachhaltiger, sondern auch wirtschaftlich klüger.
Fachseminar Kreislaufwirtschaft – Grundlagen & Umsetzung
Die FHNW und die SQS bieten gemeinsam ein dreitägiges Fachseminar für KMU und Nachhaltigkeitsverantwortliche an. Es vermittelt praxisnahes Wissen zur Kreislaufwirtschaft und unterstützt die Teilnehmenden dabei, eigene Ansätze im Unternehmen zu entwickeln. Das Seminar ist anrechenbar auf den CAS Kreislaufwirtschaft. Mehr Informationen finden Sie hier.
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