Umweltanforderungen, Soziale Anforderungen

«Wer nicht in die Kreislaufwirtschaft investiert, ist morgen weg vom Fenster»

alex.gertschen@sqs.ch

Alex Gertschen

Veröffentlicht am: 14.12.2023

Lesedauer

ca. 4 Minuten

Dem Möbelhersteller Zesar.ch SA ist Nachhaltigkeit wichtig. Er setzt auf wiederverwendbare Materialien und Produkte, bevorzugt regionale Partner und hat ein zertifiziertes Umweltmanagementsystem. Nun strebt das Unternehmen nach mehr: einem kreislauffähigen Geschäftsmodell. Laut Co-CEO Marc Liechti ist das kürzlich bestandene Circular Globe-Assessment hierfür der erste Schritt gewesen. 

Interview: Alex Gertschen

Marc Liechti, warum hat sich Zesar.ch auf seine Kreislauffähigkeit hin bewerten lassen? 

Umweltthemen wie die Wiederverwertbarkeit und Entsorgung unserer Produkte beschäftigen uns seit über zehn Jahren. Seit rund fünf Jahren arbeiten wir nach der ISO-Norm 14001, mit einem von der SQS zertifizierten Umweltmanagementsystem. Die Themen sind deshalb in unseren Prozessen integriert und dokumentiert. Nun wollen wir uns strategisch in Richtung Kreislaufwirtschaft bewegen.

 

Warum? 

Es geht um unser Engagement für die Natur und die Menschen. Das ist eine Frage der Sinnhaftigkeit und der Kultur unseres Unternehmens. Der ganzen Geschäftsleitung ist das sehr wichtig. Das ist unser innerer Antrieb. Hinzu kommt, dass die Kreislaufwirtschaft in öffentlichen Ausschreibungen zunehmend ein Kriterium wird. Ich bin überzeugt: Wer heute nicht in dieses Thema investiert, ist morgen weg vom Fenster. 

Marc Liechti, Co-CEO der Zesar.ch SA
Bild: zvg

Können Sie das erklären? 

In unserer Branche ist die Kreislaufwirtschaft in aller Munde, weil gewisse Lösungsansätze wie die Modularität wie für uns gemacht sind. Anhand von unserem Produkteportfolio lässt sich einfach verstehen, warum wir einzelne Teile nicht fix verbinden sollten, damit sie reparierbar oder wiederverwertbar bleiben. Das erfordert Anpassungen in der ganzen Wertschöpfungskette. 

 

Wie meinen Sie das? 

Die Kreislaufwirtschaft ist ein gemeinsames Thema. Wir müssen kreislauffähige Lösungen zusammen mit unseren Lieferanten und Kunden entwickeln. Dabei kommt uns zugute, dass wir vornehmlich mit Unternehmen aus der Region arbeiten. Vorprodukte «Made in China» verwenden wir nicht.  

Zesar.ch ist Teil der F. G. Pfister Beteiligungen AG, die wiederum einer dem Standort Schweiz verpflichteten Stiftung gehört. Haben Sie dadurch mehr Zeit als andere Unternehmen? 

Die F. G. Pfister Stiftung investiert in Firmen, welche ein bewährtes Geschäftsmodell und eine nachhaltige Ertragskraft haben. Ökologische, soziale und gesellschaftliche Kriterien sowie verantwortungsbewusste Unternehmensführung werden vorausgesetzt. Somit haben wir eher weniger Zeit als andere Firmen, da wir zu den Vorreitern gehören wollen und sollen. 

  

Wie nehmen Sie die Erwartungshaltung anderer Anspruchsgruppen wahr, insbesondere des Staates und der Kunden? 

In der Europäischen Union ist der Druck in Richtung Kreislaufwirtschaft generell höher als in der Schweiz. Wir brauchen Kunden, die nachhaltig beschaffen wollen und hierfür einen fairen Preis bezahlen sowie eine Regulierung, die dies unterstützt. Wie erwähnt, wird die Kreislaufwirtschaft zunehmend ein Kriterium in öffentlichen Ausschreibungen. Aber noch ist es so, dass der Preis 40% bis 100% der Bewertung ausmacht. Wenn jemand null Kreislaufwirtschaft offeriert, aber den mit Abstand tiefsten Preis, dann gewinnt er. Das muss sich ändern. Gerade im Bereich Bildungsmöbel für Kindergärten, Schulen und andere Institutionen hat der Staat einen grossen Hebel – auf der Ebene des Bundes und der Kantone. Ich bin kein Fan von Regulierungen, halte die richtige Bewertung von Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit aber als wichtig. 

ZESAR Logo

Zum Unternehmen 

Die Firma Zesar.ch SA stellt in Tavannes im Kanton Bern (Region «Grand Chasseral») Mobiliar für Schule und Industrie her. Zur Kundschaft gehören zahlreiche Bildungsinstitutionen und die Uhrenindustrie, die teilautomatisierte Handarbeitsplätze einkauft. Die 65 Angestellten decken den gesamten Produktezyklus ab, beginnend bei der ergonomischen Arbeitsplatzanalyse über die Entwicklung und Konstruktion, Produktion, Montage, hin zu After-Sales-Dienstleistungen wie Reparaturen. Das 1926 in Nidau gegründete Unternehmen wurde 2009 von Roland Zaugg als Geschäftsführer und Inhaber übernommen. Im Jahr 2020 verkaufte Zaugg seine Anteile an die F. G. Pfister Stiftung. Er ist noch immer Verwaltungsratspräsident der Zesar.ch SA. 

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Impressionen aus der Produktion bei der Zesar.ch SA
Bilder: zvg

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Impressionen aus der Produktion bei der Zesar.ch SA
Bilder: zvg

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Impressionen aus der Produktion bei der Zesar.ch SA
Bilder: zvg

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Impressionen aus der Produktion bei der Zesar.ch SA
Bilder: zvg

Kreislaufwirtschaft hat nicht nur mit der Wiederverwertbarkeit von Materialien und Wiederverwendbarkeit von Produkten zu tun, sondern erfordert völlig neue Dienstleistungen und Geschäftsmodelle. 

Genau. Aber auch das braucht Zeit. Wir bieten die Vermietung von Schulmobiliar seit rund drei Jahren an. Die Nachfrage nach diesem «Pay per use» steigt, macht aber erst wenige Prozente des Umsatzes im Bildungsbereich aus. Es braucht einen Paradigmenwechsel bei den Beschaffern.  

 

Zesar.ch hat vor Kurzem von der SQS das Circular Globe-Label auf der Stufe «Fundamental» erhalten. Das ist die erste von drei Reifegradstufen der Kreislauffähigkeit. Was bedeutet Ihnen diese Bewertung? 

Anerkennung und viel Arbeit! Das Assessorenteam hat uns zahlreiche Stärken attestiert und zugleich grosses Verbesserungspotenzial aufgezeigt. Dieses werden wir nun bearbeiten, um uns kontinuierlich zu verbessern und so den Reifegrad zu erhöhen. 

Was sind die wichtigsten Potenziale? 

Die Ideen sind vorhanden und werden umgesetzt. Allerdings muss die Kreislaufwirtschaft nun in die Strategie integriert werden. Zudem müssen wir zirkuläre Geschäftsmodelle fördern, unter anderem das Mietmodell bei der Kundschaft noch bekannter machen. 

 

Es gibt verschiedene Instrumente, um sein Unternehmen kreislauffähiger zu machen. Warum haben Sie Circular Globe gewählt? 

Es gibt aktuell verschiedene Ansätze von verschiedenen Anbietern. Diese reichen von der Selbstdeklaration bis hin zu einer wissenschaftlichen Giftstoff-Analyse aller Produkte. Das eine ist uns zu wenig, das andere sehr aufwändig und thematisch sehr spezifisch. Circular Globe entspricht einem guten Mittelweg, auf dem auch die Unternehmensführung und -kultur sowie die stetige Verbesserung berücksichtigt werden. Wichtig ist, dass Circular Globe von den ausschreibenden Stellen bekannt und akzeptiert wird und somit den Firmen einen Mehrwert bietet. 

 

Was bringen Ihnen die Managementsysteme für die Kreislaufwirtschaft? 

Wir sind uns dank der Managementsysteme gewohnt, prozessorientiert und dokumentiert zu arbeiten. Ohne dies wäre es viel aufwändiger gewesen, das Circular Globe-Label zu erhalten. 

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Zu Circular Globe 

Circular Globe ist ein internationales Reifegrad-Modell für die Kreislaufwirtschaft und ein verifizierbares Label. Es ermöglicht Unternehmen, ihre Kreislauffähigkeit zu analysieren, zu verbessern, zu bewerten und zu kommunizieren. Entwickelt wurde Circular Globe durch die SQS und Quality Austria. Mehr Informationen finden Sie hier

CAS zur Kreislaufwirtschaft 

Die Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) führt ab März 2024 auf der Basis von Circular Globe einen CAS-Kurs durch. Er macht die Teilnehmenden mit den Prinzipien und konkreten Instrumenten der Kreislaufwirtschaft vertraut und ermöglicht es ihnen, sich mit gleichgesinnten Entscheidungsträger/innen zu vernetzen. Mehr Informationen finden Sie hier

 

Erkenntnisse und Tipps 

Fünf Erkenntnisse und Tipps von Zesars Co-CEO Marc Liechti für andere Unternehmen, die sich für die Kreislaufwirtschaft interessieren: 

  1. Ganz oder gar nicht: Kreislaufwirtschaft kann kein Nischenansatz sein und sich nur auf ein bestimmtes Produkt beziehen. Das ganze Unternehmen muss nach ihren Grundsätzen ausgerichtet werden. 
  2. Führung: Die Geschäftsleitung muss geschlossen hinter einer Transformation in Richtung Kreislaufwirtschaft stehen. 
  3. Ressourcen: Kreislaufwirtschaft ist nicht gratis zu haben. Sie bedarf strategischer Entscheidungen und Investitionen. 
  4. Kommunikation nach innen: Kreislaufwirtschaft entspricht einer bestimmten Haltung und bedarf einer bestimmten Kultur. Damit sich diese im Unternehmen entwickeln, muss die Geschäftsleitung kommunizieren und überzeugen. 
  5. Kommunikation nach aussen: Kreislaufwirtschaft lässt sich nicht alleine umsetzen. Das Unternehmen muss Kunden und Lieferanten überzeugen, damit kreislauffähige Lösungen angeboten und nachgefragt werden. 

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