Management, SQS-Wissen

«Die Nachhaltigkeit ist eindeutig ein Thema für den Verwaltungsrat»

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Alex Gertschen

Veröffentlicht am: 27.09.2022

Lesedauer

ca. 3 Minuten

Die SQS nutzt ihre Erfahrung und Kompetenz in der Bewertung und Zertifizierung zunehmend im Bereich der nachhaltigen Unternehmensführung. Dabei erhält das etablierte Label «Best Board Practice» (BBP), das die SQS seit Langem gemeinsam mit der Verwaltungsrat Management AG anbietet, eine neue Bedeutung. Im Interview erklärt Felix Howald, Partner und Co-Geschäftsführer der Verwaltungsrat Management AG, welche Rolle dem Verwaltungsrat für eine nachhaltige Unternehmensführung zukommt – und welchen Nutzen das BBP-Label dabei stiftet.

Interview: Alex Gertschen 

Herr Howald, der ökologische Fussabdruck der Schweiz ist – wie jener aller Industrieländer – viel zu gross. Die Unternehmen sind dafür mitverantwortlich, und damit auch deren Verwaltungsräte. Was läuft falsch? 

Ich kann nicht allgemein beurteilen, ob die Verwaltungsräte in der Schweiz punkto Nachhaltigkeit gute oder schlechte Arbeit verrichten. Klar sind aber zwei Dinge. Die Nachhaltigkeit des Unternehmens in allen drei Dimensionen – ökonomisch, ökologisch und sozial – ist eine strategische Aufgabe und damit eine des Verwaltungsrats. Und wenn dieser seine Arbeit bestmöglich verrichtet, hat ein Unternehmen unweigerlich nachhaltig Erfolg. 

Felix Howald

Felix Howald
Partner und Co-Geschäftsführer der Verwaltungsrat Management AG

Hand aufs Herz: Verwaltungsräte schauen beim Finanz- und Risikomanagement viel genauer hin, als wenn es um ökologische und soziale Anliegen geht. 

Das stimmt – und auch nicht. Die ökonomische Dimension ist nun einmal besonders wichtig. Wenn die Finanzen nicht stimmen, fehlen einem Unternehmen die Ressourcen, um sozial und ökologisch verantwortungsvoll zu handeln. Zugleich hängt das erfolgreiche Management der Finanzen und Risiken entscheidend von sozialen und ökologischen Faktoren ab. Ein Unternehmen ist dann langfristig erfolgreich, wenn es Zielkonflikte zwischen den drei Dimensionen rechtzeitig erkennt und verantwortungsvoll mit ihnen umgeht. Der Umgang mit strategischen Trade-offs gehört zum Risikomanagement und damit zu den Aufgaben des Verwaltungsrats. 

Ist das nicht ein Grund dafür, dass sich Unternehmen mit Nachhaltigkeit schwertun: dass sie das Thema vor allem als Risiko betrachten? 

Nachhaltigkeit ist ein Querschnittsthema, das alle sechs Funktionen eines Verwaltungsrats tangiert, die wir zur Best Board Practice zählen: die normative, die strategische, die finanzwirtschaftliche, die personelle, die führungsmässige und die kommunikative [vgl. Abb. rechts, Anm. des Autors]. Der Verwaltungsrat sollte Nachhaltigkeit unter all diesen Gesichtspunkten betrachten. Hier treffen sich die Nachhaltigkeit und die Best Board Practice: Beide Ansätze sind ganzheitlich. Best Board Practice war ursprünglich nicht eigens für eine nachhaltige Unternehmensführung entwickelt worden. Ihr Ansatz ist für dieses Ziel aber sicherlich geeignet. 

Die 6 VR Funktionen

Querschnittsthemen haben es an sich, dass sie überall erwähnt, aber nirgendwo wirklich ernstgenommen werden. Braucht es auf Ebene des Verwaltungsrats oder der Geschäftsleitung eine entsprechende Funktion? 

Wir vertreten die Auffassung, dass auf Verwaltungsratsebene das Gremium als ganzes die notwendigen Kompetenzen haben muss. Nachhaltigkeit kann, muss aber nicht die Kompetenz eines einzelnen Mitglieds sein. Ein Chief Sustainability Officer (CSO) ist in Geschäftsleitungen noch immer eine Seltenheit – aber die Anzahl nimmt zu. Ich war einst selbst in dieser Funktion tätig und fand die Aufgabe grossartig. Es kommt aber auf verschiedene Faktoren wie die Branche, Grösse und Internationalität eines Unternehmens an, ob diese Funktion sinnvoll ist.

 

Das heisst? 

Ich war CSO beim in der Schweiz ansässigen, aber in Lateinamerika und Afrika tätigen Forstunternehmen Precious Woods. Wir hatten einen starken ökologischen Impact und waren in vielen Ländern operativ. Im Gegensatz dazu braucht ein Unternehmen, das eher klein ist, im Dienstleistungsbereich oder nur lokal tätig, wohl keinen CSO. Allgemein gilt: Best Board Practice entspricht nicht einer einheitlichen Praxis. Governance-Fragen sind immer situativ und fallweise, von Unternehmen zu Unternehmen zu klären. 

 

Also bedarf nachhaltige Unternehmensführung nicht eines CSO? 

Wie gesagt: Nachhaltigkeit ist für jedes Unternehmen ein strategisches Thema. Aber dasselbe gilt für Human Resources. Trotzdem hat nicht jedes Unternehmen das HR auf Geschäftsleitungsebene angesiedelt. Mit anderen Worten: Nein, ein CSO ist sicher nicht zwingend erforderlich. Zuerst ist wohl die Stelle eines Finanz- oder Betriebsverantwortlichen, eines CFO bzw. COO, zu schaffen. 

Best Board Practice: Wofür ein Verwaltungsrat verantwortlich ist – und was ihn auszeichnen sollte

  • Normativ: Er sollte die rahmengebenden Reglemente und Dokumente (Statuten, Organisationsreglement, Funktionendiagramm) erarbeiten und verabschieden. 
  • Strategisch: Er sollte ein «Gestaltungsrat» sein und Strategie, Struktur und Kultur des Unternehmens in einen Einklang bringen. Mittels Strategiecontrolling muss er dafür sorgen, dass die Strategie auch wirklich umgesetzt wird. 
  • Finanzwirtschaftlich: Er hat die nicht delegierbare Finanzverantwortung mit einer entsprechenden Vorschau- und Rückschaufunktion. 
  • Personell: Er muss als Gremium alle notwendigen Kompetenzen aufweisen, die Nachfolgeregelung lösen, und ist für den Nominierungs- und Rekrutierungsprozess sowie die regelmässige (Selbst-)Evaluation des VR-Gremiums verantwortlich. 
  • Führungsmässig: Er bestellt die Geschäftsleitung, die das Unternehmen operativ führt. Dies ist seine wichtigste Aufgabe. Dazu ist er für das Risiko- und Krisenmanagement und grundsätzlich für die strategische Führung der Unternehmung verantwortlich. 
  • Kommunikativ: Er muss für die notwendige Transparenz und Kommunikation gegen innen und aussen besorgt sein – nicht nur, aber auch in Form des Geschäftsberichts.

Klicken Sie hier, um mehr über die Bewertung und das Label der Best Board Practice zu erfahren! 

Wenn jedes Unternehmen seine eigene Governance-Lösung braucht: Wie lassen sich Verwaltungsräte dann einheitlich bewerten und gegebenenfalls mit einem Label auszeichnen? 

Wir beurteilen, ob ein Verwaltungsrat so aufgestellt ist, dass er seine Aufgaben in den erwähnten sechs Bereichen wahrnehmen kann. Die Lösungen sind unterschiedlich, die Aufgaben sind es nicht. 

 

Wer zieht den grössten Nutzen aus dem BBP-Label? 

Vor allem Unternehmen mittlerer Grösse, daneben auch Betriebe im Besitz der öffentlichen Hand. Wenn das Wachstum zu einer komplexeren Eigentümer- oder Kundenstruktur führt, zu einer Trennung von Strategie und Betrieb, dann erst stellen sich gewisse Governance-Fragen. Bei den grossen Unternehmen sollte man davon ausgehen können, dass viele formelle und prozessuale Bedingungen im Zuge der Compliance erfüllt sind, und kleine Unternehmen sollten nicht überorganisiert werden.

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